Zwischenseminar, weltwärts-Tag und Partyy
- Trevor Flint
- 27. Nov. 2019
- 8 Min. Lesezeit
Mittwoch, den 6.November 2019
Am Wochenende, den 6.November, startete das erste Zwischenseminar unseres Dienstes hier in Ecuador. Am Vorabend waren wir aus Canoa zurückgekehrt, darüber habe ich bereits geschrieben. Wir begannen um 11Uhr am Vormittag, verglichen mit dem üblichen Start meines Projektes, nämlich um 7Uhr, sehr human. So trafen alle Freiwilligen ein, manche pünktlich, andere etwas später, und das Wiedersehen war eine Freude. In den 10 Wochen, die seit unserem ersten Seminar und dem Sprachkurs vergangen waren, hatte ich nur zwei Freiwillige außerhalb von Quito getroffen.
Nach einer ausführlichen Willkommensrunde besprachen wir unsere persönlichen Projekte, die wir in unserer Arbeitsstätte implementieren wollen. Die Ideen sind vielseitig und interessant, so wird etwa eine Kreativwerkstatt für Kinder oder Wall-Art entstehen, genauso aber auch Kurse über Sexualität oder die Sprache Englisch.
Uns hatte man zu Beginn vorgewarnt, dass viele nach den ersten drei Monaten unzufrieden sein werden. In der Tat hat jeder Freiwillige seine Problemchen, eine leider auch etwas schwerwiegender. Gefühlt geht es den Freiwilligen in den Städten, so auch mir, etwas besser. Der Kulturschock auf den ecuadorianischen Land ist dann doch schon etwas größer als etwa in Quito. Über viele dieser Probleme haben wir gesprochen und sie gesammelt. Leider fehlten mir oft Lösungen oder zumindest Ansätze, die sicher geholfen hätten.
Am Nachmittag sammelten wir Antworten auf die Fragen, warum wir überhaupt Freiwillige waren und welchen Mehrwert man daraus erlangt. Wir sammelten Punkte wie: Interkultureller Austausch, Erlernen einer neuen Sprache, Sensibilisierung für Probleme oder das Erwachsenwerden, ein Lebensabschnitt, in dem man sich auf sich allein gestellt ist. Noch zu Beginn des Jahres hatten wir kaum Antworten gefunden, wieso wir eigentlich hier waren.

Nach dem Seminar planten wir, das Tanzbein zu schwingen. Der Tanzkurs ist unweit von der Seminarstätte. Tim, Max und ich entschieden uns, direkt loszulaufen und bei Gelegenheit noch etwas zu essen und ein Bierchen zu trinken. Als wir losgingen tröpfelte es bereits ein wenig und so beeilten wir uns. Gerade durchquerten wir einen Park, als der Regen dann doch etwas stärker wurde. Kurzerhand wählten wir einen Baum mit dichter Krone, unter dem es noch trocken war. Nochmal davongekommen, so dachten wir zumindest, Das mittlerweile zum Platzregen mutierte Wasser griff langsam aber zielstrebig unsere Füße ab, bis wir ganz und gar im Wasser standen. Auch der verzweifelte Versuch, in einer Hecke zu verschwinden, scheiterte fatal.
Nun blieben uns zwei Möglichkeiten:
1, Nicht bewegen und sich langsam von Regen “verschlingen” lassen
ODER
2. RENNEN, um sich auf der anderen Seite des Teiches unterzustellen.
Max und ich nahmen unsere Beine in die Hand und sprangen über riesige Pfützen, um das Zelt zu erreichen. Tim war der Meinung, unter dem Baum noch länger ausharren zu müssen, bis er schließlich auch zu rennen begann. Pitschnass und frierend warteten wir auf das Ende des Regens. Natürlich waren wir nicht auf Niederschlag vorbereitet gewesen. Ich trug eine geliehene Stoffjacke und auch die anderen waren nicht besonders gut geschützt. In den dünnen Stoffschuhen stand das Wasser bereits. Niedergeschlagen entschieden wir uns, dass ein Salsa-Kurs nun keinen Spaß machen würde. Bereits auf der Suche nach einem Taxi überragte der Hunger doch und wir genehmigten uns einen Schawarma (ähnlich einem Dürüm). Zuhause erlöste uns eine warme Dusche und trockene Kleidung von der Qual des Regens.
Unser Alternativprogramm war eine Karaoke-Bar, in der wir uns einen eigenen Raum mieteten, Mit einer schließlich knapp 30 Personen großen Gruppe verbrachten wir den Abend und sangen zu Coldplay, Michael und mir nicht bekannten spanischen Volksmusikanten, zu denen unsere ecuadorianischen Freunde, und auch meine Gastschwester, aufblühten. Traditionell bildete auch dieses Mal “Angels” von Robbie Williams den Abschluss.
Die Harmonie des Abends wurde dann doch durch das unlösbare Rätsel, wer denn jetzt verdammt nochmal sein Bier nicht bezahlt hatte, getrübt. Aufgrund nicht allzu langer Öffnungszeiten, es war immerhin Mittwoch, zog es einen Teil der Gruppe noch weiter. Etwas wahllos wanderten wir durch die Stadt, um schlussendlich bei Mecces einzukehren, um noch eine Kleinigkeit zu essen. So endete der erste Abend des Seminars, welches schon wenige Stunden später erneut beginnen sollte.
Donnerstag, den 7.November 2019
Geplant war, dass wir Donnertag um 9Uhr in den zweiten Seminartag starten. Als ich also gerade noch pünktlich ankam, war ich verwirrt. Keine deutsche Seele weit und breit. War ich nun zu früh oder der Rest zu spät? Immerhin waren wir dann um kurz nach 9 schon zu dritt, der Rest verspätete sich wegen Stau, einem geklauten Handy oder der einfach mittlerweile abgewöhnten Unpünktlichkeit der Ecuadorianer. Die Antwort auf die Frage ob das nun negativ oder positiv zu beurteilen ist, muss jeder selber finden.
Hauptattraktion des Tages wurde das Zubereiten von “Colada Morada” mit “Guaguas de Pan”. Dies ist ein höchsttraditionelles Gericht, welches eigentlich zur Feier des “dia de los difuntos” (Totentag) zugehörig ist.
Da alle Ecuadorianer aber verrückt nach dem Zeug sind, wird dies meist schon Wochen vorher, und auch nachher, verdrückt. Vergleichen kann man “Colada Morada” ein wenig mit Kinderpunsch. “Guaguas de Pan” finden wohl noch am Ehesten in Weckmännern ihren Vergleich. Sehr lecker ist ohnehin beides, und Spaß daran hatten wir auch. Ich habe mich entschieden ein Monster zu kreieren, sollen die Guaguas (Kichwa für Baby/kleines Kind) doch eigentlich genau das Gegenteil symbolisieren. Die Aktion war eine schöne Idee, jedoch sehr zeitaufwendig für andere, eventuell wichtigere Themen.
Zudem evaluierten wir unsere Meinungen über die Situation in den Familien, Projekten, mit der Organisation und gaben eine Selbsteinschätzung zu unserem aktuellen Sprachlevel ab. Gewissermaßen fiel meine Selbsteinschätzung etwas zu hoch aus, gab ich mir nämlich die zweithöchste von sieben Stufen. Begründet durch meine mögliche Bestentwicklung und durchaus schnellen Fortschritte der letzten Monate, präsentierte ich mein Ergebnis als Erster. Als sich fortgeschrittenere Sprecher dann die Hälfte meiner Punktzahl gaben, war mir nur nach Lachen zumute. Kann ja mal passieren!
Damit endete unseres ersten Zwischenseminar auch schon.
Fazit: Gut gefallen hat mir, alle Freiwilligen wiedergesehen zu haben. Jeder hat von seinen Erfahrungen erzählen und von denen der anderen lernen können. Die Sprache, stattgefunden hat das Seminar nämlich (nahezu) ausschließlich auf Spanisch, hat erstaunlich wenige Probleme dargestellt. Alle scheinen damit gut klargekommen zu sein. Schade war, dass einige Probleme ohne richtige Lösung verblieben sind.
Eine kleine Anekdote an diese zweite Tage möchte ich noch teilen.
Wir wurden sehr gut verköstigt, es gab typisch ecuadorianische Küche mit Nachtisch. Mittwoch war dieser eine Art Kompott in Sirup, sehr “interessant”. Der Mehrheit mundete diese Speise, die eine ganze Woche Vorbereitung bedarf, nicht. Ebendrum landeten schlussendlich schlappe acht Teller auf Max Stapel, der sichtlich genoss. “Ey, das ist sooo lecker. Das kann man doch nicht liegen lassen.”, nuschelte er nur.
Gleich am nächsten Tag wurde er dafür sogar noch belohnt. Verfrüht gab es eine Geburtstagstorte, von der er selbstverständlich das meiste abbekam. Dabei war Max großer Tag erst am Sonntag, und nicht schon am Donnerstag angesetzt.
Freitag, den 8.November 2019
Freitag war es dann endlich so weit. Der weltwärts-Tag stand an. Dieser Tag ist ein jährliches Treffen aller sich jeweils im Land befindenden deutschen Freiwilligen. Dieses Jahr trafen sich also 150 Freiwillige in der deutschen Botschaft in Cumbaya. Cumbaya liegt etwas außerhalb, es passt auch gar nicht in Quitos Stadtbild , da man in Cumbauya eher Assoziationen zur Düsseldorfer Königsallee und nicht zu Ecuador zieht.
Der Tag begann mit einer freundlichen Begrüßung und allerlei Sicherheitshinweisen über Ecuador und das Botschafterhaus. Zum ersten Mal nach über 3 Monaten wieder eine deutsche Veranstaltung zu besuchen, war schon sehr komisch. Die deutsche Sorgfalt und Agenda war mit sympathisch, doch auch sehr befremdlich. Irgendwie vermisse ich diese deutsche Spießigkeit, manchmal zumindest.

Ein Professor der katholischen Universität zu Quito hielt einen Vortrag über die wirtschaftliche und politische Entwicklung Ecuadors. In erstaunlich gutem und akzentfreiem Deutsch legte er Fakten dar, die wohl laut meiner Koordinatoren gar nicht so ganz richtig waren.
Aufgrund der starken Abhängigkeit Ecuadors kann man den Vortrag sehr leicht zusammenfassen: Mit dem Ölboom (scheint als einzige Branche Ecuador zu stärken) wurde man reich. Der Ölpreis fiel -> das Land war arm. Dann stieg der Preis wieder, und fiel, und stieg, und stagnierte. Darum verzeichnet Ecuador auch kein Wirtschaftswachstum.
Genug davon, das Hauptprogramm befand aus 3 Workshops, in die man mit farbigen Armbändchen eingeteilt wurde. Die Aufregung war groß, als man nicht mit vertrauten Personen in die gleiche Gruppe kam. Panisch wurde getauscht, gebettelt oder verloren, im Nachhinein kann ich sein, dass die Hysterie etwas unnötig war. Alle Freiwilligen waren sehr offen, man hat sich nie allein oder ausgeschlossen gefühlt, sehr angenehm.
Mein erster Workshop war ein Salsa-Tanzkurs. Sehr lustig und spaßig, so gab es viel zu Lachen. Jeder musste vortanzen, doch unser temperamentvoller Tanzlehrer lockerte die Situation so sehr auf, dass dies kein Problem darstellte. Ihn trafen wir dann gleich am nächsten Abend im Club wieder.
Nach der Pause brachte mir der weltwärts-Tag eine weitere “Freude”. Erneut ging es um Guaguas de Pan und Colada Morada, diesmal durften wir allerdings nur zuschauen. Das Angebot, ein wenig bunten Zuckerguss auf die Guaguas zu spritzen, ist meiner Meinung nach keinem Lob würdig. Besonders wir Freiwilligen von Experiment e.V. waren dementsprechend gelangweilt. Aus der Situation heraus ergaben sich zum Glück einige gute Gespräche, bis der Workshop endlich vorbei war.
Letztlich hielt eine ausgewanderte Deutsche noch eine Präsentation über den Amazonas und die indigene Bevölkerung. Ich will meine mentale Abwesenheit nicht auf ihren stumpfen Frontalvortrag schieben, interessant war das Thema allemal. Vielleicht lag es aber auch am akuten Schlafmangel, dass sich nicht nur einmal meine Augenlider schlossen, für den Zeitraum eines Wimpernschlags…
Der weltwärts-Tag versprach was ich mir erhofft hatte.
Viele interessante und neue Geschichten habe ich gehört, mich mit Freiwilligen aber auch mit Botschaftsmitarbeitern und sogar der Botschafterfrau ausgetauscht. Papa würde das bestimmt als erfolgreiches “Kontakten” bezeichnen, erst Recht wenn er hört, wie viele neue Kontaktdaten in Form von Handynummern dazukommen.
In einigen Gesprächen verteidigte ich tapfer Düsseldorfer Leute, Bier und Fussball. Hier passt ein inspirierender Spruch wie “Einmal Düsseldorfer, immer Düsseldorfer” oder “Vergiss nie, wo du herkommst” ganz gut :)
Höchst positiv endete dieser Tag und mit einem guten Gefühl machte ich mich auf dem Heimweg. Das dieser über zwei Stunden dauern, und vier Busfahrten benötigen würde, wusste ich da noch nicht.
Die Odyssee in die Heimat bestritt ich zum Glück zu weiten Teilen in Begleitung, weshalb ich mich nicht länger darüber beklagen mag.
Nachdem nun also das offizielle Programm angeschlossen war, Stand den Freiwilligen natürlich frei, das Wochenende in Quito zu verbringen. Der Abend des Freitags, zugleich der Geburtstag von Franka, die einen flexiblen Freiwilligendienst macht, wurde von uns im “Monkey House” verbracht. Unsere buntgemischte deutsch-ecuadorianische Gruppe erlebte eine aufregende Nacht mit unvorhersehbaren Ereignissen wie dem freiwilligen Besuch einer Polizeiwache, um einen fälschlich verdächtigten Bekannten abzuholen, oder auch Bekanntschaften mit einer Reihe merkwürdiger, lustiger und interessanter Individuen.
Die Nacht wurde zum Morgen und endete mit glücklichen Menschen in erschöpften Körpern (klingt schön, nicht wahr?).

Samstag, den 9.November 2019
Gleich in der nächsten Nacht machten wir uns erneut auf, um endlich in Max Geburtstag reinzufeiern. Der “Bungalow” hat ironischerweise 3 1/2 große Etagen, auf denen sich die Leute erstaunlich schlecht verteilen, da alle im Erdgeschoss, in der Nähe der Tanzfläche, bleiben.
Der obligatorische Countdown, wie wir ihn üblicherweise um Mitternacht vor einem Geburtstag heruntersähen, wird hoffentlich stattgefunden haben. Um 23:58Uhr standen wir nämlich noch in der Schlange vor der Diskothek, aus der ich in diesem Moment verschwand, um einen vergessenen Ausweis abzuholen. Nicht zum ersten Mal war die Party ein voller Erfolg, auch wenn das Erlebnis ein ganz anderes war.
Durch den weltwärts-Tag waren nunmal viele Freiwillige in der Stadt, die die Möglichkeiten in Quito zu nutzen wussten, weil sie diese in ihrem Ort nicht zwangsläufig auch geboten bekommen.
Der kostenlose Eintritt wird dann noch dafür gesorgt haben, dass ich mich auf der Tanzfläche inmitten von anderen großen Menschen (hier sonst sehr selten), blonden Haaren und deutscher Sprache wiederfand. Im Grunde ein Stück weit wie als wenn man wirklich in Deutschland wär.
Sonntag, den 10. November 2019
Am Sonntag nach nicht weniger als 10 vollgeladenen und erlebnisreiche Tagen fühlte ich mich weniger lebendig als mehr einfach nur überfahren.
Ich verarbeitete alles gleichzeitig, was mich mental auch zeitweilig stark belastet hat. Meine Freunde haben mir geholfen, auf andere Gedanken zu kommen, sodass ich am Montag wieder in meinen üblichen Alltag zurückkehrte.
Ich bin froh um jede noch so kleine Erfahrung, die ich dieses Jahr machen darf und bedanke mich hiermit bei den Menschen, die mich auf diesem Abenteuer auf jegliche Art und Weise begleiten.
Danke!
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